Verkorkste Erziehung, falsche Erwartungen, Vorurteile, Selbstzweifel und Emanzipation: Geierwally gibt tiefe Einblicke ins Seelenleben

Der betagte Knecht Klettermeier führt in des Leben der Geierwally ein.

Szene auf dem Bauernhof: die Mägde Resi und Regerl und die Knechte Xaver und Lois diskutieren mit dem Wally-Vertrauten Klettermeier das „was wäre wenn“ – das Verhältnis des Bauern Strominger zu seiner Tochter Wally.

Den Verwalter Vinzenz hätte Bauer Strominger seiner Wally zur Heirat ausgesucht, den lehnt diese aber rundweg ab, da helfen auch keine Blumen.

In der Kellnerin Afra sieht Wally eine Nebenbuhlerin im Kampf um die Zuneigung des Jägers Josef. Links die Lammwirtin.

AICHKIRCHEN (sk). Sicherlich war es nicht ganz einfach, ein Drama, das eigentlich in einem bäuerlich konservativ, hierarchischen Umfeld in den Bergen spielt, auf einer Theaterbühne umzusetzen. Ohne Abstriche ist dies der Theatergruppe Aichkirchen unter Regie von Franz J. Meyer hervorragend gelungen. Szenische Effekte führen in die Gletscherwelt, das Flammeninferno der niederbrennenden Scheune erzeugten Beleuchtungseinstellungen der Bühnenbauer Martina Seebade, Hans Lochner und Kirstin Pollinger. Über allem steht aber die schauspielerischen Leistung, die hohe Professionalität in der Darstellung der einzelnen Charaktere. 

Die Geschichte, der Lebensverlauf der „Geierwally“ lässt im wahrsten Sinne des Wortes ein einziges Drama erkennen. Ihrem Vater, dem Strominger, gespielt von Gerhard Bauer, sollte die Tochter Wally (Vroni Obermeyer) eigentlich den Sohn ersetzen. Dem ewigen Konflikt mit dem herrischen Vater ausweichend, setzt sie sich ab ins Gebirge, findet dort Trost und Freundschaft in trauter Gemeinsamkeit mit den Geiern. Nach ihrer Rückkehr auf den väterlichen Hof solle sie, dem Willen des Vaters gehorchend, den Hofverwalter (Tobias Weber) heiraten. Ihre Zuneigung gilt aber dem Jäger (Christian Fischer). Sie will den Hofverwalter nicht, wendet sich wieder gegen den Vater, zündet aus Verzweiflung die Scheune an und flüchtet sich wieder in die Berge, um all den an sie gestellten Erwartungen aber auch den Selbstzweifeln zu entfliehen. 

Der Klettermeier, ein betagter Knecht (Rupert Hierl) ist ihr einziger Vertrauter, ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, der väterlich verständnisvoll ihre Situation erkennt. Zu allem Übel suchen der Jäger und die Kellnerin Afra (Steffi Müller) auf ihrem beschwerlichen Weg durch die Berge Hilfe in Wallys Hütte. Damit schlägt auch die Zuneigung zum Jäger, durch ihre Vermutung, dieser sei  mit der Kellnerin liiert, in Weltschmerz, Enttäuschung und Ablehnung um.

Erst nach dem Tod des Vaters kehrt die „Geierwally“ auf den Hof des Vaters zurück, wird aber dann noch durch das Testament dessen mit einer weiteren „Bestrafung“ konfrontiert. Sie muss den Verwalter heiraten, da dieser sonst den Hof übernehmen darf. 

Natürlich bietet das Drama dem Zuschauer zum Ende eine vermutete Lösung. Obwohl Wallys Herzenswunsch zu guter Letzt in Erfüllung zu gehen scheint und sie darauf hoffen darf, ihre große Liebe, den Jäger, für sich zu gewinnen, ist die willensstarke, emanzipierte Wally immer wieder von Selbstzweifeln geplagt. Die Antwort auf all die Folgen ihrer Erziehung, aus der daraus abzuleitenden Persönlichkeitsentwicklung gibt sie trotz der vom Klettermeier überbrachten positiven Nachricht im Schlusssatz: „Ich habe Angst.“